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Hanauer Anzeiger vom 28. Oktober 1927

Der Vatermord in Langendiebach
Abschluß einer furchtbaren Familientragödie. - Die Schuld des Vaters. - Der Angeklagte zu 10 Jahren Zuchthaus wegen Totschlags verurteilt.

Im Mordprozeß gegen den Hilfsarbeiter Fritz Schmehl aus Langendiebach wurde die Anklage von Staatsanwaltschaftsrat Pfitzner vertreten. Dem Angeklagten stand Rechtsanwalt Dr. Nelkenstock zur Seite. Ueber den ersten Teil der Vernehmung haben wir bereits gestern berichtet. Der Angeklagte beschreibt weiter, daß er hinter seinem Vater hergegangen sei und erklärte, lediglich eine Ahnung, daß dieser auf dem Rückweg hier vorbeikommen müsse, habe ihn an die Mordstelle getrieben. Auf die Frage des Anklagevertreters, aus welcher Entfernung er die Schüsse abgegeben habe, erklärte der Angeklagte, sich nicht mehr entsinnen zu können. Staatsanwalt: Wo sind die übrigen 16 Patronen geblieben, denn Sie hatten sich doch eine Schachtel mit 25 Stück bei Beschaffung des Revolvers mitkommen lassen?
Angekl.: Ich habe sämtliche Patronen in der Rocktasche bei mir getragen, wohin sie gekommen sind, weiß ich nicht. Bei der weiteren Vernehmung gibt der Angeklagte an, daß der Erschossene auch wiederholt tätlich gegen seine Stiefmutter vorgegangen sei und sie mit den gemeinsten Schimpfworten bedacht habe. Er selbst sei wiederholt von ihm mit
dem Messer und Beil bedroht worden
und habe deshalb stets den Revolver geladen mit sich geführt. In der Nacht habe er ihn stets unter dem Kopfkissen liegen gehabt, da er kein anderes Versteck für ihn hatte. Die Mutter habe gewußt, daß er im Besitze eines Revolvers gewesen sei, denn er habe ihn ihr einmal bei Gelegenheit gezeigt und erklärt, wenn der Vater wieder einmal tätlich würde, zeige er ihm das Ding.
Staatsanwalt: Hat der Vater überhaupt Sie jemals tätlich angegriffen? Angekl.: Ja, er hat mich einmal am Halse gepackt und unter Bedrohungen und Beschimpfungen wie Zuchthäusler usw. die Treppe heruntergestoßen.
Nachdem der Angeklagte noch weitere häusliche Szenen geschildert hatte, zu denen das gewalttätige Wesen des Erschossenen einzig und allein die Veranlassung bot, wurde mit der Zeugenvernehmung
begonnen. Als erster Zeuge wird Landgerichtsrat Dr. Heß vernommen, der in dieser Sache die Untersuchung führte. Zeuge erklärt, er habe seinerzeit dem Angeklagten die sich offensichtlich als unhaltbar erwiesene Verteidigung mit einer Notwehr ausreden wollen und in der Tat habe auf Zureden der Angeklagte auch ein, wenn auch zunächst nur teilweises Geständnis abgelegt. Schon damals sei es seine Ansicht gewesen, daß der eigene Vater das Leben des Angeklagten verpfuscht
und ihn von Jugend an zu Diebereien angehalten habe. Der Angeklagte habe dann später einem Referendar, nachdem er wegen Aufhebung des Haftbefehls vorstellig geworden war, ein volles Geständnis abgelegt, das zunächst zwar auf seinen ausdrücklichen Wunsche hin nicht protokolliert aber zu den Akten vermerkt wurde. Der nächste Zeuge, Oberlandjäger Kalte-Langendiebach, hatte seinerzeit die Verhaftung des Angeklagten vorgenommen und
die ersten Ermittlungen
angestellt. Er befand sich mit seinem Fahrrad gegen ½ 10 Uhr abends gerade auf einem dienstlichen Weg nach Rückingen, als er in der Nähe des Langendiebacher Kleinbahnhofs plötzlich einen Schuß fallen hörte, dem in zunächst kürzerem beim vierten Schusse aber etwas größeren Abstand drei weitere folgten. Daraufhin fuhr er in der Schussrichtung zurück und hörte dabei, als er an die am Bahnhof gelegenen Gärten herangekommen war, einen lauten Ruf "Halt, wer da", dem unmittelbar ein furchtbares Stöhnen folgte. Der ganze Vorgang hatte sich in einem Zeitpunkt von weniger denn 2 Minuten abgespielt. Im gleichen Zeitpunkt kamen auch schon zwei junge Leute aus einem unweit entfernten Hause gelaufen und nach kurzem Suchen fand man den 50jährigen Fabrikarbeiter Johann Schmehl aus Langendiebach, der als Spezialist auf dem Gebiet des Felddiebstahls und der Vogelfängerei galt, mit einer Schußverletzung zwar noch lebend aber bereits in den letzten Zügen liegend vor. Die Frage, von wem er geschossen worden sei, konnte er nicht beantworten, er wusste lediglich, daß nur eine männliche Person in Frage komme. Kurz darauf verschied der Schwerverletzte auf dem Transport in den Ort. Da der Erschossene in letzter Zeit zweimal den Landjägerbeamten, wenn auch vergeblich aufgesucht und dieser Kenntnis von einem bestehenden schweren Zerwürfnis zwischen dem Vater und dem Sohne Fritz hatte, stieg dem Beamten ein fürchterlicher Verdacht auf, der sich denn auch nur allzubald bestätigen sollte. Unverzüglich begab sich der Beamte zu dem Gemeindehaus, in dem der Erschossene mit seiner Familie wohnte, und unterrichtete die Frau des Schmehl von dem Tode ihres Mannes. Zu seiner Überraschung schien diese von der furchtbaren Nachricht nicht weiter erschüttert und erklärte auf die Frage des Beamten, wo ihr Stiefsohn Fritz sei, dieser läge oben im Bett. Der Beamte begab sich daraufhin in das Zimmer des Angeklagten und fand diesen die Decke über den Kopf gezogen und vom Schweiße triefend im Bette liegend vor. Auf die Kunde von dem Tode des Vaters fing er zunächst zu jammern an und erklärte dann, bereits seit geraumer Zeit im Bette zu liegen. Seine nassen und mit Gras behafteten Stiefel wurden ihm aber zum Verräter und aus dem Bette heraus erfolgte seine Verhaftung. Zunächst blieb er dabei, überhaupt von der Tat nichts zu wissen, legte dann aber am folgenden Morgen nach mehrstündigem Verhör das erste Geständnis ab, nach dem er aus Notwehr seinen Vater erschossen habe. Auf Einwurf des Verteidigers des Angeklagten Dr. Nelkenstock, ob es nicht möglich sei, daß dem Angeklagten bei seiner ersten Vernehmung von dritter ebenfalls in amtlicher Eigenschaft zugegen gewesener Seite der Gedanke an eine Notwehr förmlich einsuggeriert worden sei, erklärte der Zeuge, daß dies bei seiner vorübergehenden Abwesenheit sehr wohl möglich gewesen sei. Die nun folgenden Zeugen wurden vorwiegend über
die Schmehlschen Familienverhältnisse
gehört, die überaus traurig waren und aus denen einzig und allein eine derartige furchtbare Tat entwachsen konnte. War die Person des Erschossenen schon durch Äußerungen aus dem Munde des Vorsitzenden und Angeklagten zur Genüge charakterisiert worden, so folgten nun Einzelheiten erschütternder Art, wie sie so leicht an Realistik nicht überboten werden können. Zunächst machte der als Zeuge gehörte Oberlandjäger noch die Angabe, daß bereits im Jahre 1922 die jetzige Witwe Schmehl bei ihm gewesen sei, sich über die ewigen Drangslierungen ihres Mannes beschwert und erklärt habe, von ihm fortzuwollen. Das Verhältnis zwischen dem Erschossenen und seinem Sohne Fritz sei früher, wenn man in diesem Falle so sagen darf, das herzlichste, Fritz der Liebling seines Vaters und dessen gelehrigster Schüler auf Diebesfahrten gewesen. Kurze Zeit nach seiner im Dezember 1926 erfolgten Entlassung aus der Strafanstalt, habe sich das Verhältnis jäh getrübt und sei schließlich derart schlecht geworden, daß sich Auftritte schlimmster Art seitens des jähzornigen und gewalttätigen Vaters häuften. Eifersucht sollte die Veranlassung zu dem jähen Wechsel gewesen sein, der Vater soll geglaubt haben, der Angeklagte unterhalte unerlaubte Beziehungen zu seiner 43jährigen Stiefmutter. Als nächster Zeuge wurde Bürgermeister Schmidt-Langendiebach vernommen, der den Erschossenen als so eine Art "anständigen Spitzbuben" bezeichnete, der sich in der Hauptsache mit Gemüsediebstählen und Vogelfang befaßt, im übrigen aber keine größeren Verbrechen begangen habe. Zwar sei er öfters aufbrausend und dabei auch ausfallend gewesen, aber sonst sei ihm in seiner verhältnismäßig allerdings nur kurzen Wirkungszeit gerade nichts nachteiliges über seine Person bekannt geworden. Die Ehefrau des Erschossenen habe aber auch ihm über schlechte Behandlung seitens ihres Mannes geklagt und gewisse diesbezügliche Andeutungen fallen lassen, ohne indes nähere Angaben zu machen. Der Angeklagte habe sich in letzter Zeit völlig von der Öffentlichkeit abgeschlossen, sich aber durchaus einwandfrei geführt. Auch über die Ehefrau sei ihm nichts nachteiliges bekannt, ja eher sei das Gegenteil der Fall. Im übrigen habe der Erschossene soweit ihm bekannt - trotz seiner 8 Vorstrafen wegen Körperverletzung, Beleidigung und Widerstandes gegen die Staatsgewalt, die er allerdings nicht genau gekannt habe - nicht als eigentlich gewalttätig verschrieen gewesen, habe im Gegenteil eher als Maulheld und Feigling gegolten. Ein ganz anderes Bild bekam man schon bei Vernehmung des nächsten Zeugen, Rektor Stapelfeld, der sich ausführlich über die Verhältnisse im Hause Schmehl ausließ. Schon gleich bei seinem Amtsantritt im Jahre 1914 sei ihm aufgefallen, daß die Erziehung der Schmehlchen Kinder in schlechten Händen läge. Die Kinder seien außerordentlich vernachlässigt gewesen und wären wochenlang mit Vorsatz dem Schulunterricht ferngehalten worden. Schon damals wollte er für den Angeklagten die Fürsorgeerziehung angeordnet haben und lernte bei dieser Gelegenheit erstmals den Vater Schmehl kennen, dessen dauernden Zornesausbrüchen und rohesten mit schlimmsten Drohungen durchsetzten Beleidigungen er von da ab nicht mehr entgehen konnte. Der Angeklagte sei von jeher ein äußerst entschlossener, ganz und gar unintelligenter Mensch gewesen, der sich noch nicht einmal die elementarsten Kenntnisse hätte aneignen können und über die untersten Schulklassen nicht hinausgekommen sei.
Vater Schmehl sei sehr gewalttätig und ausfallend im Kreise der Seinen
gewesen und habe in seinen leidenschaftlichen, jähzornigen Ausbrüchen kein Maß und Ziel gekannt. Die Ehefrau Schmehl habe auf ihn stets einen guten Eindruck gemacht und ihr aus erster Ehe mitgebrachter Sohn zu seinen angenehmsten Schülern gezählt. Auch der nächste Zeuge Heinrich Fucker aus Langendiebach, der Vormund des Stiefsohnes des Erschossenen, bezeichnete die Schmehlchen Familienverhältnisse als überaus traurig und völlig unhaltbar. In seiner Eigenschaft als Vormund hatte er des öfteren im Schmehlchen Hause zu tun, wo er von Anfang an vom Vater äußerst mißtrauisch behandelt wurde. Seinem Antrag, den ihm anbefohlenen Stiefsohn Schmehls aus Gründen moralischer Gefährdung aus dem Elternhause zu entfernen, sei eigenartigerweise vom Obervormund nicht entsprochen worden. Daraufhin habe er diesen, der trotz der verderblichen Umgebung bis heute stets ein braver Mensch geblieben sei immer wieder ermahnt und in seinen guten Vorsätzen bestärkt. Im Haushalt selbst sei es dauernd zu heftigen Szenen gekommen und die Verhältnisse seien die denkbar trübsten gewesen. Wiederholt habe sich die Ehefrau Schmehl bei ihm beschwert, die der übelsten Behandlung ausgesetzt gewesen und auch einmal gleich ihrem leiblichen Sohne zu ihren Eltern geflüchtet sei. Auf sein Zureden seien beide dann wieder zurückgekehrt. Eines Abends sei der Angeklagte zu ihm gelaufen gekommen und habe ihn zur Hilfe gerufen, da sein
Vater die Stiefmutter mit Totsiechen bedroht und ihr die Kleider vom Leibe gerissen
habe. Unter der Ausrede, den Stiefsohn besuchen zu wollen, habe er sich Eintritt verschafft, doch habe ihn der alte Schmehl sofort die Türe gewiesen und obgleich er ohne weiteres gegangen sei, die Treppe derart hinuntergestoßen, daß er zu Fall gekommen sei. In dem Hause hätten dann der Vater Schmehl wie ein Wütender herumgetobt und fürchterliche Szenen heraufbeschworen. Der Erschossene sei ein äußerst hinterlistiger Mensch gewesen, der sich andauernd in den gemeinsten Beschimpfungen und fürchterlichsten Drohungen gegen seine Ehefrau und seinen Sohn Fritz ergangen habe. So habe er u. a. auch einmal die Kleider des Angeklagten zum Fenster hinausgeworfen, dem sich nähernden Sohne Fritz ein Stuhl entgegengeschleudert und schließlich einen Eimer Wasser übergegossen. Kurz vor Begehung der Tat sei es ganz aus mit dem alten Schmehl gewesen, der in seiner vermeintlichen Eifersucht keine Grenzen mehr gekannt habe.
Der Stiefsohn des Erschossenen, der 19jähr. Willi Jüngling bekundete, daß der Angeklagte immer Angst vor seinem Vater gehabt und ihm nie etwas entgegnet habe. Es sei auch vorgekommen, daß der Vater mit zugeklapptem Messer um sich geschlagen habe, auch gegen ihn sei er einmal handgreiflich vorgegangen. Zuletzt habe er ihm jeglichen Umgang mit seinem Stiefbruder Fritz verboten und ihn nicht mehr mit diesem zusammenschlafen lassen. Die Mutter hätte er angewiesen, nicht mehr für Fritz mitzukochen und sein Bett nicht mehr zurechtzumachen. Der älteste Bruder des Angeklagten, der 27jährige Arbeiter Karl Schmehl unterstrich im wesentlichen die bereits gemachten Aussagen der Zeugen über das Verhältnis der Vaters zu seinem Sohne Fritz. Der Vater habe in letzter Zeit schon nicht mehr sehen können, wenn die Mutter mit Fritz sprach. In seiner Anwesenheit sei es zu keinen Szenen gekommen, da der Vater anscheinend ein Eingreifen von seiner Seite fürchtete. Er selbst sei einmal nachts gegen ½ 2 Uhr von einem Besuche bei seiner in Bruchköbel wohnenden Braut heimgekehrt und wollte sich in das mit seinem Bruder Fritz gemeinsam benutzte Schlafzimmer begeben als er die Tür angelehnt fand und den
Vater mit einem gezückten Messer vor dem Bette des schlafenden Bruders Fritz
stehen sah. Wortlos habe dieser bei seinem Erscheinen fluchtartig das Zimmer verlassen. Dieser Vorfall habe sich ungefähr acht Tage vor Begehung der Tat abgespielt. Im übrigen seien Redensarten wie "Ich schneide dir den Schlund ab" oder "Ich hacke dir den Kopf ab" bei seinem Vater alltäglich gewesen.
Die Ehefrau Schmehl bekundete im wesentlichen dasselbe und erklärte ihrerseits, ihrem Manne nie Veranlassung zur Eifersucht gegeben zu haben.
Nachdem dann noch kurz Medizinalrat Dr. Kersten-Gelnhausen, der die Obduktion der Leiche des Erschossenen vorgenommen hatte, über die Todesursache (Lungenschuß) gehört worden war und erklärt hatte, der tödliche Schuß müsse aus einiger Entfernung abgegeben worden sein, sprach sich Kreisarzt Dr. Schulze-Hanau über den
geistigen Zustand des Angeklagten
aus. Sein Gutachten ging dahinaus, daß die strafausschließende Anwendung des § 51 bei dem Angeklagten zwar nicht in Frage käme, daß dieser aber geistig minderwertig sei. Im übrigen sei er erblich belastet durch den Vater, der in geistiger Hinsicht ebenfalls als minderwertig anzusprechen sei und von sehr geringer Intelligenz. Er könne weder lesen noch schreiben und seine geistige Auffassungsgabe sei gleich Null. Nach dem ganzen Gange der Beweisaufnahme und dem Gutachten des Sachverständigen war es kaum anders zu erwarten, als daß seitens der
Anklagebehörde die Anklage auf Mord fallengelassen
wurde. Staatsanwalt Pfitzner betonte denn auch gleich anfangs seiner Anklagerede, daß sich hier das erschüttende Bild einer mehr wie traurigen Familientragödie entrollt habe und dem Milieu in diesem Falle eine ganz besondere Bedeutung beizumessen sei. Seien auch die kleinen Vergehen des erschossenen Vaters Schmehl, der mit insgesamt 9 Kindern aus beiden Ehen reich gesegnet gewesen sei, im Hinblick auf seine wirtschaftlichen Verhältnisse verständlich, so sei die Verführung seiner eigenen Kinder unentschuldbar und mehr wie verwerflich. Mit seinem Leben musste er denn auch die Verfehlungen büßen, die er an seinen Kindern begangen. Nicht umhin könne man, dem toten Vater ein Großteil der Schuld am Schicksal des Angeklagten zuzuschreiben. Er sei bei seinen Lebzeiten ein aufbrausender, jähzorniger Mensch gewesen, der wie seine Vorstrafen bewiesen hätten, auch nicht vor Gewalttaten zurückschreckte. Es gelte jetzt die Seelenverfassung des Angeklagten während der Abgabe der Schüsse zu prüfen. Das ganze Milieu spreche für Totschlag, ein gehäuftes Maß an Hass und Zorn sei jäh zur Entladung in den verhängnisvollen Schüssen gekommen. Vorsätzlich zwar seien diese abgegeben aber nicht kalten Blutes und im Vollbesitz er Sinne, sondern ohne Überlegung. Das Gesetz sehe bei Totschlag an Verwandten aufsteigender Linie Zuchthaus von 10 - 15 Jahren und darüber hinaus bei Verneinung mildernder Umstände lebenslängliches Zuchthaus vor. Mildernde Umstände müßten dem Angeklagten in weitgehendem Umfange zugute gehalten werden, wenn auch seiner Ansicht nach die gesetzliche Mindeststrafe nicht am Platze wäre, da die Tat doch nahe an Mord grenze und die schweren Vorstrafen des Angeklagten strafschärfend zu berücksichtigen seien. Sein Antrag lautete daher auf 12 Jahre Zuchthaus unter Anrechnung der Untersuchungshaft und 10 Jahre Ehrverlust.
Der Verteidiger des Angeklagten Rechtsanwalt Dr. Nelkenstock rückte demgegenüber noch einmal alle für den Angeklagten sprechenden Milderungsgründe in den Vordergrund und wies auf den Seelenzustand des Angeklagten bei Begehung der Tat hin. Am Schlusse seines Plädoyers bat er das Gericht, nicht über die gesetzliche Mindeststrafe, die gegenwärtig noch auf 10 Jahre Zuchthaus laute, hinauszugehen.
Nach kurzer Beratung verkündete das Gericht folgendes

Urteil:

Der Angeklagte wird wegen Totschlages an einem Verwandten in aufsteigender Linie zu der gesetzlichen Mindeststrafe von 10 Jahren Zuchthaus einschließlich 10 Jahren Ehrverlust verurteilt und ihm die erlittene Untersuchungshaft voll angerechnet.
Eine erschütternde Familientragödie hatte ihren Abschluß gefunden, der Gerechtigkeit war Genüge geschehen. Mit Recht führte der Vorsitzende in der Urteilsbegründung u. a. noch folgendes aus: "Der Vater hat geerntet, was er gesät hat." Tragik des Schicksals aber war, daß der eigene einstige Lieblingssohn die Mordwaffe erhob gegen den, der ihm das Leben verpfuschte und selbst auf die Bahn des Verbrechens führte, anstatt die schützende Vaterhand über ihn zu halten.


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