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Hanauer Anzeiger vom 11. Juni 1900

Grundsteinlegung zur neuen Kirche in Rückingen. Vor nunmehr 13 Jahren war es, und zwar bei Gelegenheit der Feier des 400jährigen Geburtstages Dr. Martin Luthers, als der frühere Geistliche der Gemeinde Rückingen, der jetzt in Berlin als geschäftsführender Sekretär des Central-Ausschusses für Innere Mission wirkende Pastor Ed. Fritsch die Anregung zur Erbauung einer neuen Kirche gab. Diese Anregung fiel auf fruchtbaren Boden, sodaß am 30. Oktober v. J. der Bau begonnen und am gestrigen Trinitatis Sonntage die feierliche Grundsteinlegung angesetzt werden konnte. Der Festakt hatte die Gemeindeglieder in großer Zahl herbeigeführt, auch Herr Pastor Fritsch war aus Berlin herbeigeeilt, um an der denkwürdigen Feier theilzunehmen. Der Hanauer Posaunenchor unter Herrn Hesemann's Leitung eröffnete mit einem Vortrag die Feier, worauf die Gemeinde aus Gesangbuch Nr. 397 die drei ersten Verse gemeinschaftlich sang und der gemischte Chor unter Leitung des Herrn Lehrer Niedenthal "Dies ist der Tag, den der Herr" stimmungsvoll zu Gehör brachte. Es folgte Gebet und Schriftverlesung (1.Mos.28, 10-22) des Ortsgeistlichen, dann Gemeindegesang und hierauf eine die Bedeutung der Feier für die Gemeinde in trefflichen Worten würdigende Ansprache des Herrn Superintendenten Sopp-Hanau. Herr Pfarrer Schlicht-Rückingen verlas hieran anschließend die in den Grundstein einzufügende Urkunde, die folgenden Wortlaut besaß:
"Im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. Im Jahre des Heils Eintausendneunhundert, im 12. Jahre der Regierung Seiner Majestät des Deutschen Kaisers und Königs von Preußen Wilhelm II. wurde am heutigen Trinitatis-Sonntag der Grundstein zu dieser Kirche gelegt. Schon lange musste die hiesige Gemeinde sich mit einem alten kleinen und ungesunden Kirchlein behelfen. Deshalb gab bei der Feier des 400jährigen Geburtstages Dr. Martin Luthers am 11. November 1883 der damalige Pfarrer der Gemeinde, Eduard Fritsch die Anregung zur Erbauung einer neuen Kirche. Zur Verwirklichung des Planes wurde am gleichen Tage ein Kirchbauverein gegründet, der sich zur Aufgabe machte, die Mittel zum Bau aufzubringen. Dieser Gedanke fiel in der Gemeinde auf fruchtbaren Boden, denn nicht nur Familienväter, auch die Katechumenen und Konfirmanden gaben ihre Beiträge. Gönner und Freunde fehlten nicht, welche Beihilfen mit ihren Gaben leisteten. Das Ergebniß dieser jahrelangen Sammlungen war die Summe von rund 20 000 Mk. Durch den Ankauf eines neuen Pfarrhauses im Jahre 1894 machte die Gemeinde den schweren Sorgen um die Erwerbung eines Bauplatzes ein Ende, indem sie mit großer Opferwilligkeit das bißherige Pfarrhaus mit Garten und Wirtschaftsgebäuden als Bauplatz zur Verfügung stellte. Die Mittel zu dem Bau, dessen Kosten ursprünglich auf rund 86 000 Mk. veranschlagt worden sind, sich voraussichtlich aber auf 100 000 Mk. belaufen werden, werden gedeckt durch ein Allerhöchstes Gnadengeschenk von 20 000 Mk., Kirchenkollekten 5000 Mk., den angesammelten Baufonds von 20 000 Mk. und die von der Kirchen- und politischen Gemeinde übernommenen Geldleistungen. Der Entwurf der Kirche ist nach einem im Ministerium der öffentlichen Arbeiten aufgestellten Vorentwurf von dem Kgl. Kreisbauinspektor Becker zu Hanau ausgearbeitet worden. Die in frühgotischem Stil kreuzförmig entworfenen Kirche wird 644 Sitzplätze erhalten, die Geammthöhe des Thurmes 38,65 Meter betragen. Für die Steinmetzarbeiten wird rother Wertheimer Mainsandstein, für die Mauerwerksflächen Sandbruchstein aus den Brüchen bei Gelnhausen verwendet. Die Ausführung des Baues ist dem Baugeschäft J.C. Jäger & J.M. Rumpf in Hanau übertragen worden; die Bauleitung versieht die Königliche Kreisbauinspektion in Hanau. Der Kirchenbau wurde am 20. Oktober 1899 begonnen und wird voraussichtlich am 1.Juli 1901 fertiggestellt. Am heutigen Tage sind ohne Unfall die Schiffsmauern gegen 6 Meter, der Thurm 12 Meter hoch ausgeführt. Der Herr, unser Gott, sei uns freundlich; er fördere das Werk unserer Hände bei uns und lasse es zu seiner Ehre vollendet werden. Amen! Rückingen, den 10.Juni 1900. Das Presbyterium (folgen Namen)."
In den Grundstein wurden noch eingefügt u. a. ein Verzeichniß derjenigen Geistlichen, die von 1632 an das Pfarramt in Rückingen bekleideten, Schriftstücke über einige wichtige Daten, eine Freitagsnummer (Nr.132) des Hanauer Anzeiger", drei Nummern der in der Gemeinde gelesenen Sonntagsblätter. Während der Verlöthung und der Vermauerung intonierte der Posaunenchor eine erhebende Weise. Hierauf leisteten unter entsprechender Widmung bezüglicher Denksprüche die üblichen drei Hammerschläge Herr Superintendent Sopp-Hanau, Herr Landrath v. Schenck-Hanau, Herr Metropolitan Wittekindt-Wachenbuchen, der Ortsgeistliche Herr Pfarrer Schicht, die Herren Kirchenältesten Rüfer, Schreiber, K. Haas, H. Viel I, Herr Bürgermeister Zickendraht, die Herren Geistlichen der Klasse Pfarrer Buß-Niederrodenbach, Herchenröder-Langendiebach, Hufnagel-Langenselbold, der Sekretär des General-Ausschusses für die innere Mission Herr Pastor E .Fritsch-Berlin, die Herren Lehrer der Gemeinde Niedenthal, Reinmüller und Worch, Herr Kreisbauinspektor Becker-Hanau und Herr Bautechniker Tarteyna-Hanau. Als dieser erhebende Akt beendigt, trug der Kirchenchor "Alles was Odem hat" vor und mit Gebet, Gemeindegesang und Segen wurde die Feier beendet. - Möge auch fernerhin Gottes Hand über den Bau walten und derselbe nach seiner Fertigstellung der christlichen Gemeinde reichen Segen erbringen.


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