Dies ist eine Seite aus www.geschichte-erlensee.de © Kevin Paulus
  Infopunkt Wissenspunkt

Hanauer Anzeiger vom 10. November 1894

Langendiebach, 10. Novbr. vor 40-50 Jahren war Langendiebach noch ein schlichtes Bauerndorf. Doch mit dem Aufblühen des Fabrikwesens in der nahen Stadt Hanau haben sich die Verhältnisse hier gewaltig geändert. Nahezu die Hälfte der Einwohner gehört jetzt dem Arbeiterstande an. Zwei Fabriken im Orte beschäftigen über 300 meistens hiesige Leute; während 4- bis 500 auswärts auf Arbeit gehen. Diese veränderten Verhältnisse haben umgestaltend auf Ernährungsweise, Kleidung, Sitten und Gebräuche, Vereins- und Kassenwesen eingewirkt, selbst der Diebacher Dialekt ist nur noch in wenigen Häusern bei älteren Personen anzutreffen. Im Laufe der Zeit sind hier 6 Wirthschaften und 2 Flaschenbierhandlungen entstanden, und dabei finden noch auswärtige Flaschenbierhändler Absatz. Es ist dies ein Zeichen, daß gegen früher mehr getrunken abe auch mehr verdient wird. 5 hiesige Metzger versorgen die Einwohner mit Fleischwaren, dabei liefert Hanau noch ein schönes Quantum Wurst und Fleisch durch die Marktweiber, Arbeiter und Milchhändler hierher. Das Bedürfniß ist gegen früher ein größeres, die Lebensweise eine bessere geworden. Nicht wenigre als 9 Spezereiwaarenhandlungen hat Lg.-Diebach aufzuweisen, darunter Läden mit großen Schaufenstern, wie man sie schöner in der Stadt nicht antrifft. - Männlein und Weiblein kleidet sich hier jetzt modern, und das Sprichwort: "Selbstgesponnen, selbst gemacht ist die rechte Bauerntracht", findet sich hierorts nicht mehr bestätigt. Ein reges Leben herrscht im Vereins- und Kassenwesen. Es bestehen hier 1 Kriegerverein, 3 Gesangvereine, 2 Turnv., 1 Zitherv., 1 Bauernv., 1 Arbeiterv., 1 Feuerwehrv., welcher die Wohltätigkeit pflegt, 1 Raiffeisen'sche Darlehnskasse, welche im letzten Jahre einen Umsatz von 60.000 M. erzielte, eine Pfennig- und Schulsparkasse, auf welcher jährlich durchschnittlich 3000 M. aufgelegt werden, eine Doktorkasse, eine Viehversicherungskasse, welche den Bauer vor Schaden bewahrt, und endlich eine Kohlenkasse, die ihren Mitgliedern den Bezug an Kohlen sehr erleichtert. Fast kein Haus ist an einem oder mehreren dieser Vereine oder Kassen unbetheiligt. Ebenso ist es hier in Bezug auf Lektüre. Während früher im Pfarr- und Schulhaus und vom Bürgermeister eine Zeitung gehalten wurde, werden jetzt Hunderte solcher und zwar der verschiedensten Richtungen hier gelesen. Dabei besteht noch eine Volksbibliozthek, welche für gute Lektüre sorgt du auch fleißig benutzt wird. - Aus allem diesem geht hervor, daß sich der Wohlstand unter den Bewohnern gehoben hat. Dieses verrät auch schon da Aeußere des Dorfes. Um mehr als 50 neue Wohnhäuser ist der Ort vergrößert, darunter solche, welche einer Stadt zur Zierde gereichen könnten. in demselben Verhältniß wie die Einwohnerzahl ist auch die Zahl der Schüler gestiegen, so daß Langendiebach jetzt eine 4klassige Volksschule besitzt, in welcher über 300 Schüler unterrichtet werden. Auch eine Kleinkinderschule wirkt schon über 10 Jahre segensreich in unserer Gemeinde. An nützlichen Neuerungen sollen auch nicht unerwähnt bleiben die Straßenbeleuchtung (27 Flammen), die Erbauung eines Leichenhauses, Anschaffung einer Gemeindedecimalwaage und dergl. mehr. So ist überall Leben und Fortschritt. Es fehlt nur noch die längstgeplante Eisenbahn, und Langendiebach würde einer der lebhaftesten Vororte Hanaus.


Fenster schliessen
Dies ist eine Seite aus www.geschichte-erlensee.de © Kevin Paulus