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Eine kleine Zeitreise...

 

... zu den Gasthäusern von Langediebach

Stadt- und Landleben ist geprägt durch Gasthöfe, Dorfkrüge, Restaurants und Cafés. In einer Zeit, da es zur Unterhaltung noch kein Fernsehen gibt, zur Kommunikation und Information weder Internet noch Handy zur Verfügung stehen, kommen in den Gaststätten Reisende und Einheimische zusammen, um gut zu speisen und zu trinken, Nachrichten und Klatsch auszutauschen und an den Angeboten der verschiedensten Vereine teilzunehmen. In unserer Zeitreise wollen wir einige Langendiebacher "Genusshäuser" vorstellen und erläutern, was sie für das Leben hier bedeuteten.


Infopunkt

Gasthäuser im Mittelalter

Die ersten Häuser für Gäste, die zur Stärkung und Übernachtung einkehrten, waren die christlichen Hospize des Mittelalters.
Hospize wurden im 7./8. Jh. von schottischen Mönchen an den Pilgerwegen nach Süden eingerichtet. Bald galten sie als Idealtyp klösterlicher Unterkünfte für Fremde, Pilger und Reisende und waren Sozialeinrichtungen für Arme, Kranke, Witwen und Waisen. Sie standen überwiegend an alten Römerstraßen und an Alpenpässen.

Erst vom 12. Jh. an verstand man gemeinhin unter hospitale (Spital) eine soziale Einrichtung für arme Kranke und Alte, unter hospitium (Hospiz) dagegen reine Beherbergungseinrichtungen kirchlicher Körperschaften. Zu einem Hospiz gehörten i. A. mehrere Wirtschaftsgebäude, eine Kapelle und ein Friedhof. Zur Ausstattung gehörten wohl Speise- und Wärmeraum, nach Geschlechtern getrennte Schlafräume und eine Krankenstation.

Von der Kirche unabhängige Gasthäuser entstanden ab dem 11. Jh. Ihre Zahl nahm um die Wende vom 13. zum 14. Jh. stark zu. Zur Ausstattung gehörten Küche, Speise- und Schlafraum. Auf Abort und Waschraum wurde verzichtet. Man verrichtete seine Notdurft im Stall oder bei der Dungstätte. Noble Reisende bedienten sich des Nachtgeschirrs ("Kammertopf"). Wenn man sich waschen wollte, ging man an den Hofbrunnen. Der vornehme Reisende ließ sich ein Schaff mit Wasser bringen. Man schlief in Betten, die zu mehreren in einer Kammer standen.

Im Spätmittelalter gab es neben der eigentlichen Herberge Ställe, Lagerschuppen, Wagenremisen, Brau-, Back- und Schlachthaus. Wir werden nachher feststellen, dass auch die Gasthäuser in Langendiebach über Brauerei, Bäckerei und/oder Metgerei verfügten. Gelegentlich konnte man auch schon "heimliche Orte" finden. Spätmittelalterliche Gasthäuser waren durch Namen kenntlich gemacht. Diese konnten auf heraldischen Zusammenhängen beruhen ("Zum Adler", "Zum Löwen", " Zur Krone"), auf die jeweilige Lage Bezug nehmen ("Zur Linde", "Am Brunnen") auf historische oder legendäre Ereignisse zurückgehen oder auch vom Beruf der Stammkundschaft herkommen. Namen der Gasthäuser sind, wie die der Apotheken, im Gegensatz zu denen der Bürgerhäuser, erhalten geblieben.


 

Das älteste Gasthaus Langendiebachs stand an der Ecke Ravolzhäuser Straße / Friedrich-Ebert-Straße.

Gasthaus "Zum Schwan"

Die Gastwirtschaft " Zum Schwan" ist die älteste Gaststätte in Langendiebach. Sie gehörte dem Haus Ysenburg-Birstein.
Die Isenburger vergaben die Gastwirtschaft dem jeweiligen Wirt in Erbleihe. Zum Anwesen gehörte neben der Wirtschaft ein Wohnhaus, eine Brauerei, eine Backstube, sowie Stallungen, Hof und Garten. Einem der Wirte und Bierbrauer verdankt der Hopfengarten seinen Namen, denn dort soll er den Hopfen für sein Bier angebaut haben.
Das Gasthaus und die Nebengebäude musste der jeweilige Erbleiheträger auf seine Kosten unterhalten. Und er musste die Herrschaft neben deren Gästen und ihrer Dienerschaft zu einem bestimmten gering festgesetzten Preis verpflegen. Außerdem hatte er das alleinige Recht, Bier nach Ravolzhausen zu liefern. Von Frondiensten war er befreit.
1800 kaufte der Gerichtsschöffe Johannes Dückhardt aus Rückingen die Gastwirtschaft mit den Nebengebäuden für 8900 Gulden.
Am 26. Juni 1864 wurde im Gasthof "Zum Schwan" der Liederkranz von 60 jungen Männern gegründet. Dieser veranstaltete hier viele Konzerte und Familienunterhaltungen.
Aber auch andere Vereine wie die "Sängerlust", die Turner oder der Kriegerverein gaben Veranstaltungen im "Schwanen".

1894 wird im Hanauer Anzeiger stolz von veränderten Zeiten in Langendiebach gesprochen:

"Vor 40-50 Jahren war Langendiebach noch ein schlichtes Bauerndorf. Doch mit dem Aufblühen des Fabrikwesens in der nahen Stadt Hanau haben sich die Verhältnisse hier gewaltig geändert. ... Diese veränderten Verhältnisse haben umgestaltend auf Ernährungsweise, Kleidung, Sitten und Gebräuche, Vereins- und Kassenwesen eingewirkt, selbst der Diebacher Dialekt ist nur noch in wenigen Häusern bei älteren Personen anzutreffen. Im Laufe der Zeit sind hier 6 Wirthschaften und 2 Flaschenbierhandlungen entstanden, und dabei finden noch auswärtige Flaschenbierhändler Absatz. Es ist dies ein Zeichen, daß gegen früher mehr getrunken aber auch mehr verdient wird. ... Das Bedürfnis ist gegen früher ein größeres, die Lebensweise eine bessere geworden..... Es fehlt nur noch die längstgeplante Eisenbahn, und Langendiebach würde einer der lebhaftesten Vororte Hanaus."

1901 wird der Saal des Gasthauses "Zum Schwan" vergrößert, weil er für größere Festlichkeiten zu klein geworden ist. Und für das folgende Jahr ist eine "der Neuzeit entsprechende Theaterbühne" geplant, damit die Vereine größere Konzerte oder Theateraufführungen durchführen können.
1908 lässt Dückhard sein Gasthaus umbauen und vergrößern. Ein Seitenbau des "Schwanen" wird abgebrochen und statt diesem ein Saalbau errichtet, der auch für größere Festlichkeiten ausreichen soll. Der neue Saal erhält eine Theaterbühne nebst den erforderlichen Nebenräumen. Außerdem wird das größere Gastzimmer vergrößert. Zur Einweihungsfeier engagierte Dückhardt die gesamte Ulanenkapelle aus Hanau. Der große Saal war voll besetzt, einige Besucher bekamen nur Stehplätze.
Nach dem ersten Weltkrieg wurde der Gaststättenbetrieb, der lange Zeit gesellschaftlicher Mittelpunkt und Treffpunkt für Vereine war, eingestellt.
Am 21. Juni 1920 verkündete eine Anzeige im Hanauer Anzeiger in großen Buchstaben die Versteigerung von Mobiliar, Wirtschafts-, Metzgerei- und Keltereieinrichtungen des "Schwanen".
Ein schönes Gasthaus, das ein gutes Ansehen hatte und auch von den Hanauern sehr geschätzt wurde, besteht nicht mehr. Es war 120 Jahre lang im Besitz der Familie Dückhardt gewesen.
Der "Schwan" wurde von der Gemeinde Langendiebach gekauft, die zur Bekämpfung der Wohnungsnot in den zahlreichen Räumen Wohnungen herrichtete. Außerdem wurden noch weitere Wohnhäuser gebaut. Da nun die in dem Gasthaus vorhandenen Wohnungen von vielen Familien bewohnt wurden, erhielt das Anwesen im Volksmund die Bezeichnung "Kaserne".

Im Schwanen ist auch so manches passiert. 1918 wurde eingebrochen und eine große Menge Speck gestohlen, die zum Räuchern aufgehängt war. Der Dieb wurde nicht gefasst.
Dagegen wurde Gastwirt D. zu allem Übel noch Anfang 1920 wegen Nichtablieferung von Heeresgut zu 500 Mark Strafe verurteilt. Das kam so:
Ungefähr ein Jahr vorher waren in Langendiebach Soldaten vom Hanauer Eisenbahnregiment einquartiert gewesen, die im Schwanen zechten und einen schwungvollen Handel mit Heeresgut trieben. Bei einer Hausdurchsuchung einige Zeit später fand man allerhand Militärausrüstungsgegenstände im Nebenzimmer und auf dem Dachboden des Schwanen: Zeltbahnen, Drillichhosen, Waffenröcke, eine Gasmaske, ein Paar Stiefel, zwei Musikinstrumente und 6 Pfund Leder. Alles wurde beschlagnahmt.
D. hatte schon vor dem Schöffengericht Langenselbold gestanden, weil er die Sachen nicht abgeliefert hatte, war aber freigesprochen worden. Gegen dieses Urteil legte der Amtsanwalt Berufung ein, und so stand die Sache nun vor der Hanauer Strafkammer. D. lehnte jede Verantwortung für das Treiben der Soldaten in seinem Wirtshaus ab. Er erklärte, dass diese beim Weggehen gesagt hätten, sie würden die Sachen abholen kommen. Die Eisenbahner sind auch tatsächlich gekommen. Aber erst am Tag nach der Beschlagnahme. Sie erschienen auf der Bürgermeisterei und verlangten die Herausgabe.
Das Langenselbolder Urteil wurde aufgehoben und D. zu 500 Mark Strafe verurteilt mit der Begründung, er sei unter allen Umständen verpflichtet gewesen, die Sachen abzuliefern.

Gasthaus Zur Stadt Hanau

Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert gründete der Rhein-Main-Verband für Volksvorlesungen in vielen Städten und Landgemeinden so genannte Volksbildungsausschüsse. Diese hatten es sich zur Aufgabe gemacht, das Volk in Stadt und Land mit den Errungenschaften der Wissenschaft, Kunst und Technik bekannt zu machen und zum kulturellen Aufstieg der Menschen beizutragen.
Auch in Langendiebach wurde ein Ausschuss für Volksvorlesungen gegründet. Er setze sich zusammen aus Deligierten der örtlichen Vereine, die sich um die Förderung der Kultur bemühten. Je nach Mitgliederzahl schickten sie einen oder mehrere Vertreter in den Ausschuss. Unter anderen gehörten dem Ausschuss an: Der sozialdemokratische Arbeiterverein, die Turngesellschaft, der Liederkranz, die Sängerlust, die Concordia, sowie die Ortsgruppen der Gewerkschaften.
Finanziert wurde der Ausschuss durch Beiträge der angeschlossenen Vereinigungen und Eintrittsgelder für Veranstaltungen. Für jedes Winterhalbjahr stellte der Ausschuss ein Programm mit hohen Ansprüchen auf: Rezitationen moderner und klassischer Dramen, Theateraufführungen mit künstlerisch hohem Anspruch, wissenschaftliche Vorträge. Viele dieser Veranstaltungen, besonders die Theateraufführungen fanden hier im Gasthaus zur Stadt Hanau statt. Sie waren gut besucht und brachten stets einen finanziellen Überschuss, der wieder zur Finanzierung anderer Unternehmungen verwendet wurde.
1908 vergrößerte Gastwirt Karl Göbel ebenso wie de Schwanenwirt Dückhardt seinen bisherigen Saal und ließ ihn mit einer Bühne versehen.
Aber nicht nur der Ausschuss für Volksvorlesungen, der sich um die Bildung der Menschen kümmerte, war in der "Stadt Hanau", auch die Gesundheit kam nicht zu kurz.
1913 hielt der "Verein für naturgemäße Gesundheitspflege Langendiebach" seinen 1. Vereinsvortrag im Gasthaus "Zur Stadt Hanau" mit dem Thema: "Das Weib als Gattin, Mutter und Familienarzt". Der Verein hatte es sich zur Aufgabe gemacht, "naturgemäßen Lebens- und Heilweisen in allen Volkskreisen Eingang zu verschaffen."


Infopunkt

Gasthäuser im Mittelalter: Tavernen, Trinkstuben

Stellen zum Ausschank von Getränken und zum Verkauf von Speisen gab es für die unterschiedlichsten Ansprüche: Klosterschänken, bürgerliche Schankstuben mit Hausbrauerei sowie Gasthäuser, die durch das Aushängen einer Fahne oder eines Schildes anzeigten, dass Bier ausgeschenkt wurde, die so genannten "Schildwirtschaften". Hier wie in den auf Wein spezialisierten Tavernen kam buntgemischtes, lärmendes Volk zusammen. Hier vertrieb man sich die Zeit mit Gesang und Geschwätz, mit Würfel- und Kartenspiel.
Die Handwerksinnungen hatten eine eigene Zunftstube oder ein eigenes Zunfthaus. Um 1400 nahmen sich auch Gesellenverbände das Recht, in eigenen Stuben gemeinsam zu "Schencken und Zehren". Diese Herbergen waren auch der Anlaufpunkt von zugewanderten Gesellen, die Arbeit suchten.
Wirtshäuser waren beliebte Anlaufstellen des fahrenden Volkes. Hier konnte man die trockene Kehle spülen, hier fand man dankbare Zuhörerschaft für Nachrichten von "draußen" und konnte sich kundig machen über örtliche Gegebenheiten und Veranstaltungen. Spielleute konnten hier mit Publikum und kleinen Gaben rechnen, Trickbetrüger fanden Dumme, die ihnen auf den Leim gingen und Liebesdienerinnen legten ihre Netze aus.


 

Gasthaus "Zur Krone"

Im Juli 1908 wird die "Krone", wie der "Schwan" und die "Stadt Hanau" umgebaut und vergrößert. Dies wird allgemein begrüßt, da ein großer Bedarf in Langendiebach vorhanden ist.
Gastwirt Friedrich (Fritz) Dietz, der damalige Wirt der "Krone" wird "ein der Neuzeit entsprechendes Gartensälchen, wie man solche in Luftkurorten vielfach finden kann, bauen lassen".
Man geht davon aus, dass alle 3 Gasthäuser bis zur Kirchweih Mitte Oktober fertig gestellt sind. In der "Krone" sind wie in anderen Gasthäusern verschiedene Vereine heimisch. Zum Beispiel der 1905 gegründete Bauernverein, der 1910 dort seinen ersten Familienabend veranstaltete. Die Geflügelzüchter treffen sich in der Krone, ebenso der Obst- und Gartenbauverein. Der Liederkranz, wechselt nach dem 1. Weltkrieg vom Schwan, dessen Betrieb ja eingestellt wird (haben wir vorhin gehört), ebenfalls zur Krone.
Die Gaststätte hat einen Saal und eine eigene Metzgerei. Später auch eine Kegelbahn.
Gaststätte und Metzgerei haben die Zeiten überdauert und existieren noch heute.


Infopunkt

Bierkrieg August 1906

Es hat immer mal wieder eine Erscheinung gegeben, die allgemein den Namen "Bierkrieg" bekam. Meist ging es dabei um Braurechte, Brauweisen, aber auch um den Preis des Gerstensaftes.
1906 beteiligte sich auch Langendiebach an einem solchen Bierkrieg.
Die Verkaufspreise der Gaststätten wurden damals von den Brauereien vorgeschrieben. Und diese hatten nach jahrzehntelanger Preisstabilität eine Preiserhöhung verlangt. Sie begründeten dies mit gestiegenen Produktionskosten und mit der Erhöhung der Biersteuer. Aber sie hatten nicht mit den Biertrinkern in Frankfurt, Kassel oder Langendiebach gerechnet.
Besonders in Langendiebach beschwerte man sich darüber, dass man hier schon Jahrzehnte für 0,3 Liter 10 Pfg. zahlen muss, während in Niederhessen 0,4 l und in Bayern 0,5 l immer noch für 10 Pfg. zu haben sind. Die Langendiebacher Biertrinker machten daher gegen die Erhöhung der Bierpreise Front. Insbesondre, so sagten sie, da hier noch ein vorzüglicher "Hohenastheimer" (Apfelwein) 0,3 l. für 10. Pfg. zu erhalten ist. Das liest man am 6. August im Hanauer Anzeiger.
Am 9. August erfährt man, dass die Brauereien jegliches Abgehen von ihrem Standpunkt verweigern und die übergroße Mehrzahl der Biertrinker sich ebenso standhaft des Biergenusses enthält. So kommt es, daß in den meisten Diebacher Wirtschaften überhaupt kein Glas Bier mehr auf den Tischen steht. Die lachenden Dritten sind die Apfelweinproduzenten und die Mineralwasserfabrikanten, die das beste Geschäft dabei machen. Auch am 14. August wird der Bierkrieg hartnäckig fortgesetzt. Die Arbeiter trinken kein Bier und auch die anderen Bierkonsumenten trinken fast durchweg Apfelwein.
In Frankfurt hat eine gemeinsame Sitzung der Kommission des Gewerkschaftskartells, Vertretern der Brauereien, Gastwirten und Flaschenbierhändlern keine Einigung gebracht. Man ging mit dem Beschluss auseinander, dass die Brauereien und Wirte getrennt tagen sollen. Danach soll nochmals eine gemeinsame Sitzung einberufen werden. Die Lage ist also ernst.
In Kassel wurde dagegen eine Einigung erzielt. Die Brauereien beschränken ihre Forderung auf den erhöhten Steueranteil. Außerdem wird die Biersperre der Brauereien gegen die Wirte aufgehoben. Das bedeutet, dass die Brauereien den Wirten nicht mehr vorschreiben, das Bier zu einem bestimmten Preis zu verkaufen. Ein Teil der Kasseler Wirte hat bereits bekannt gegeben, dass sie das Bier zum alten Preis verkaufen werden.
Der Bierkrieg, der nicht nur in unserem Raum stattfand, ist nach wenigen Wochen überall zu Ende. Mit dem Sieg der Biertrinker, die ihr Bier zum alten Preis bekommen.


 

Gasthaus "zur Sonne"

Im Herbst 1902 kaufte der Restaurateur J. Bröning aus Offenbach das Gasthaus "Zur Sonne" vom bisherigen Gastwirt Lißmann. Bröning beabsichtigte, im Frühjahr den angrenzenden Grasgarten in einen Wirtschaftsgarten umzuwandeln. Dies wurde allgemein begrüßt, da es an Gastwirtschaften noch sehr mangelte.
Im Juni 1905 wird zu einer "Tanzveranstaltung im neu renovierten" Gasthaus "Zur Sonne" eingeladen. Wie die anderen Gasthäuser, so war auch die "Sonne" Vereinslokal. Hier waren die Ziegenzüchter und der Radfahrerklub "Wanderer" heimisch. Außerdem gab hier die Turngesellschaft Abendunterhaltungen und der Ausschuss für Volksvorlesung hielt bildende Vorträge.
Im Gasthof zur Sonne liegen die Anfänge der katholischen Kirche von Erlensee. Bis zum Anfang des 20.Jh. gab es in Langendiebach und auch Rückingen nur wenige Katholiken. Diese konnten in Hanau oder Langenselbold die Heilige Messe besuchen - zu Fuß oder mit dem Fahrrad, denn das Auto war noch in den Kinderschuhen.
Nach Ende des 1. Weltkrieges nahm die Anzahl der katholischen Bevölkerung in Rückingen und Langendiebach zu, da Evakuierte aus Frankfurt und Hanau hier eine neue Heimat fanden. Ab dem 16.Juli 1922 wurde in Langendiebach im Saal des Gasthauses "Zur Sonne", der über der Gasstätte lag, sonntags die heilige Messe gefeiert. Der Pfarrer kam mit dem Pferdefuhrwerk aus Langenselbold.
Der Inhaber des Gasthofs zur Sonne, Dickhaut, kam ursprünglich aus Amöneburg bei Marburg, einer katholischen Gegend. Das erklärt seinen Einsatz für die Katholiken in seiner neuen Heimat.
Außer Gaststätte war die "Sonne" auch Bäckerei. Diese wurde bis Mitte der 50er Jahre betrieben, die Wirtschaft einige Zeit länger.

Auch die Sonne hat ihre Geschichten:
Im November 1910 gab es in der "Sonne" eine Schlägerei zwischen dem Schmiedemeister M. und vier auswärtigen Gelegenheitsarbeitern, die angetrunken waren. Diese waren im Gasthaus beim Zechen, als M. hereinkam. M. war wohl wegen seiner Neckereien und Sticheleien bekannt. Es kam zu einem Wortwechsel, der in der Schlägerei ausartete. Der Schmied erlitt einen Schädelbruch und wurde ins Vinzenz-Krankenhaus eingeliefert. Die 4 Arbeiter ergriffen die Flucht und belästigten noch Passanten. Drei von ihnen wurden wenig später von der Polizei gefasst.


Infopunkt

Ein X für ein U vormachen

Die Wirte führten auf einer Tafel, auf der sie den Namen des Gastes und die Anzahl seiner Getränke notierten, Buch über den Ausschank. Die Anzahl wurde in römischen Zahlen notiert. I, V und X. Wurde bezahlt, wurden die Einträge weggewischt, blieb der Gast den Betrag schuldig, blieb sein Name mit der Anzahl auf der Tafel - in der Kreide - stehen.
Gerissene Wirte machten es sich zunutze, dass Kreideeinträge durch Verwischen oder ungenaues Notieren nicht eindeutig zu entziffern waren. So kann ein V leicht als ein X gedeutet oder entsprechend abgeändert werden. Der Wirt machte dem Gast weis, er habe X also 10 Biere statt V, also 5 zu bezahlen. Nicht nur Wirte, auch andere Geschäftsleute fälschten ihre Forderungen auf diese Weise. Da in der alten Schreibweise die Buchstaben V und U gleich geschrieben wurden, wurde für Betrügereien der Ausdruck "ein X für ein U vormachen geprägt".


Infopunkt

Ruhe und Sicherheit in den nächtlichen Straßen

Die Obrigkeit zu damligen Zeit machte sich Gedanken um die Ruhe und Sicherheit in den nächtlichen Straßen. Sie sollte nicht durch Zecher gestört werden. Deswegen wurde der Ausschank mit dem zweiten oder dritten Läuten der Abendglocke (Im Sommer um 22 Uhr, im Winter um 20 Uhr) eingestellt, weswegen die Abendglocke auch Trink-, Bier- oder Weinglocke hieß. Die Gäste konnten noch eine Stunde in der Schänke verweilen, mussten dann jedoch auf dem kürzesten Weg nach Hause gehen, wobei sie vorschriftsgemäß eine brennende Laterne mit sich zu führen hatten oder sich vom Wirtsgesinde heimleuchten ließen. Es ging dabei nicht um das Sehen, sondern um das Gesehen werden, bei dem, was man auf dem Heimweg trieb. Denn: Auf dem Heimweg soll niemand "mit geschrei und unczucht ... auf dem marckt noch in der gassen umbgeen". Es wurde eingeschärft, dass man nächtens "nit schrey noch ander unfug treib".


Infopunkt

Brauch des Anstoßens

Der Brauch des Anstoßens der Gläser ist uralt und mehr als eine freundschaftliche Geste gemeinsamer Zecher. Giftmischer wurden nicht selten beauftragt, den Konkurrenten aus dem Weg zu räumen. Und so nutzte man Zechereien auf großen Festlichkeiten, um den Gegner unter freundlichem Lächeln ins Jenseits zu befördern. Nie konnte man als Gast also sicher sein, dass in dem Becher, der einem gereicht wurde, nur das drin war, wonach es aussah. So stieß man mit dem Becher auf das Wohl des Gastgebers mit diesem an und zwar so, dass ein Teil des Inhalts des eigenen in den Becher des Gegenübers schwappte. War Gift im Spiel, würde dem Täter nun schleunigst das Grinsen vergehen und er bestimmt nicht den eigenen Becher zum Mund führen. Trank er aber ohne Zögern, konnte man sich auch selbst dem Genuss ungefährdet hingeben.


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