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Eine kleine Zeitreise...

... in den alte Ortskern von Langendiebach

Friedrich-Ebert-Straße, Evangelische Kirche:

1232 wird die Kirche in Langendiebach erstmals urkundlich erwähnt. Sie ist aber älter, wie ein Münzfund aus einer Grabung im Chorraum 1984 beweist. Bei dieser Grabung wurde eine halbrunde, steingemauerte Apsis entdeckt, neben deren Fundament eine Münze aus der Zeit des ersten sächsischen Königs, Heinrich I. (919-936) gefunden wurde. Hier muss also im 10. Jh. schon eine Kirche gestanden haben.
Mitte des 15. Jh. setzte der Isenburger Graf Wolfgang Ernst I. in Langendiebach einen reformierten Pfarrer ein und ließ alle Bilder aus der Kirche entfernen. Das widerstrebte den Rückingern und Rüdigheimern, die lutherisch geblieben waren. Diese widersetzten sich dagegen. Ein Junker von Rückingen ging sogar so weit, dass er dem neuen Pfarrer das Haus stürmte und die Tür einschlug. Es wird auch erzählt, der Pfarrer selbst sei verprügelt worden. Nach längerem Streit verständigte man sich. Langendiebach blieb reformiert und Rückingen lutherisch. Später besuchten viele Langendiebacher sonntags den Gottesdienst in Rückingen. Dies taten sie nicht wegen dem lutherischen Pfarrer, sondern weil man nach dem Kirchgang in Rückingen besser seinen "Frühschoppen machen" konnte als in Langendiebach, wo die Sitten strenger waren.
Im 18 Jh. wird der Turm, insbesondere dessen Dach, stark sanierungsbedürftig. Fäulnis ist am Werk und der Turm droht einzustürzen. Nach langer Frage nach der Zuständigkeit wird um 1746 der Turmhelm neu errichtet und mit Naturschiefer eingedeckt.Bald aber zeigt auch das Chordach Schäden. Glocken, Orgel und Uhr sind ebenfalls reparaturbedürftig. Doch es sollen noch 100 Jahre ins Land gehen, bis die schon damals vertretene Auffassung, jede Reparatur sei hinausgeworfenes Geld, einen Neubau des Kirchenschiffs zur Folge hatte.
1860 war das Dach so schadhaft, dass die Kirchenbesucher bei Regenwetter die Schirme mit in die Kirche nehmen mussten. Bei dem Versuch, das Dach neu zu decken, stellte sich heraus, dass die ganze Kirche baufällig war und eine neue Dachkonstruktion gar nicht hätte tragen können.Das Kirchenschiff wurde 1861-1863 neu gebaut. Am 2. Osterfeiertag 1863 wurde sie eingeweiht.1888 erhielt die Kirche die ersten Öfen, eine elektrische Heizung unter den Sitzbänken wurde 1963 installiert.1912 erhielt die Kirche eine elektrische Beleuchtung und eine neue Orgel.Am 20. August 1916 richtete ein Blitzeinschlag in die Turmspitze Schaden an oberer Kuppel und Gebälk an.Im Dezember 1938 erhielt der Kirchturm wegen des nahen Fliegerhorstes eine Sicherheitsbeleuchtung, was eine Veränderung der Turmspitze mit sich brachte. Dies wurde später wieder rückgängig gemacht.In beiden Weltkriegen mussten Glocken zur Herstellung von Kriegsmaterial abgegeben werden. Finanziert durch Spenden konnten sie nach dem ersten Weltkrieg1922 und nach dem zweiten 1953 ersetzt werden.Mit der Renovierung des Kirchturms 1982, des Kirchenschiffes 1983 außen und der Innenrenovierung 1984/85 erhielt die Kirche Ihr heutiges Aussehen.Um die Kirche herum befand sich bis etwa 1800 der Langendiebacher Friedhof.

Das "Untere Tor":

Das "Untere Tor" der alten Ringmauer befand sich wahrscheinlich etwas südlich der Einmündung der Ringstraße in die Friedrich-Ebert-Straße.Hier sollen bei Erdarbeiten "gewaltige Fundamentmauern" gefunden worden sein.


Infopunkt

Torschlusspanik

Im Mittelalter war es üblich, dass kurz nach dem Läuten der Abendglocke die Tore geschlossen wurden. Wer sich beim Läuten noch außerhalb der Tore aufhielt, musste sich beeilen. Denn, erreichte man nicht rechtzeitig vor den Schließen das Tor, musste man vor dem Tor übernachten oder den Torwächter bestechen. Nicht selten verfiel man in Panik, wenn man weit außerhalb des Tores das Abendläuten vernahm und begann zu rennen. Der Begriff "Torschlusspanik" hat sich im übertragenen Sinn bis heute gehalten.


 

Friedrich-Ebert-Straße/Ringstraße:

Die frühere Synagoge, ein um 1850 errichteter anspruchsloser Fachwerkbau, befand sich an der Ecke Ringstraße/Friedrich-Ebert-Straße. Zu dieser Synagoge gehörte auch ein rituelles Bad. In der Nacht vom 10. zum 11. November 1938 wurde sie von den Nationalsozialisten zerstört. Eine Gedenktafel erinnert heute an die frühere Synagoge und jüdische Gemeinde von Langendiebach.
Auch in Rückingen stand eine Synagoge (im Bereich der Wasserburg), die ebenfalls zerstört wurde. Jährlich finden in Erlensee am 9. November Andachten statt, abwechselnd in Langendiebach und Rückingen.

Ringstraße:

Alte Inschriften auf den Hausbalken.
Reste der alten Ringmauer.
Alte Schmiede. Sie wurde um 1780 aus Abbruchsteinen der alten Wehrmauer errichtet.

Kuhstall mit unterirdischer Viehtränke:

Neben dem Stall des Anwesens Ringstraße/Freiligrathstraße verlief ein tief liegender Bach, der abgedeckt war (er ist heute verrohrt). In dem Stall hat man an einer Stelle den Boden abgesenkt und einen Durchbruch in der Außenwand zum Bach geschaffen. Dadurch hatte man im Stall eine Viehtränke, für die man kein Wasser heranschaffen musste.

Ringstraße/Fröbelstraße:

1840 gründete Friedrich Fröbel in Blankenberg/Thüringen den ersten Allgemeinen Deutschen Kindergarten. Er wollte damit erreichen, dass Kinder, deren Eltern in Fabriken arbeiteten, nicht auf der Straße verwahrlosten.Brüning, der die Zigarrenkistenfabrik in der Ravolzhäuser Straße gegründet hatte, griff diesen Gedanken auf und gründete hier in Langendiebach einen Kindergarten für seine Fabrik. Damit schlug er zwei Fliegen mit einer Klappe. Die Mütter konnten in seiner Firma arbeiten und die Kinde wurden versorgt.Aus diesen Anfängen ist der Langendiebacher Kindergarten entstanden.

August-Bebel-Straße

Sie hieß früher Hintergasse, weil sie eine Gasse hinter der Ortsmauer war.

Ringstraße - Ringmauer um den alten Ortskern, nördlicher Turm:

Vermutlich Ende des 15. Jh. entstand die heute fast verschwundene Ringmauer, die u.a. hinter den Grundstücken auf der östlichen Seite der Ringstraße verlief. Besonders gut ist sie hier in dem Bereich vor dem Turm im Garten eines Anwesens noch sichtbar. Auffallend ist, dass der Turm ca. 20 m hinter der Mauer steht. Somit sind dies höchstwahrscheinlich reine Beobachtungstürme, denn Beobachtungstürme waren aus der Mauerflucht nach innen gerückt, während Verteidigungstürme in der Mauerflucht standen.In diesem Bereich befand sich auch bis Ende der 1950er Jahre eine Tür in der Wehrmauer zur Ravolzhäuser Straße. Diese wurde von der Jugend gern als Abkürzung benutzt. Heute ist sie zugemauert.Die Wehrmauer wurde zum größten Teil abgerissen. Aus Abbruchsteinen der Wehrmauer sind auch viele Grundstücksmauern entstanden.

Brunnenstraße, Trinkborn:

Der Trinkborn geht nach der in dessen Joch eingemeißelten Jahreszahl auf das Jahr 1699 zurück. Nach alten Berichten sollen Zuwanderer aus der Schweiz geholfen haben, das im Dreißigjährigen Krieg schwer beschädigte Langendiebach wieder aufzubauen. Von diesen soll aus Dankbarkeit dieser Brunnen errichtet worden sein. Diese Berichte sind urkundlich nicht belegt.


Infopunkt

Im 16. und 17. Jahrhundert waren jedoch viele Schweizer im Dienst fremder Söldnerheere. Weil sich dies nach Meinung der Eidgenossen aber nicht mit dem Neutralitätsgedanken der Schweiz vertrug, wurde dies unter Strafe gestellt. Das heißt, ein Schweizer Staatsbürger, der gegen Sold Dienst in einem fremden Heer leistet, macht sich Strafbar. Einzige Ausnahme ist der Dienst in der 1506 gegründeten Schweizer Garde des Vatikans. Dies wurde 1938 in einem Gesetz noch einmal bekräftigt und ist Bestandteil der Schweizer Verfassung.


 

Friedrich-Ebert-Straße/Ravolzhäuser Straße:

Ein nördlich des Anwesens Friedrich-Ebert-Straße 1 in die Gartenmauer eingelassener Torstein mit der Jahreszahl 1613 und dem Ysenburger Wappen erinnert an ein früheres herrschaftliches Anwesen, das ungefähr in diesem Bereich gestanden hat. Diese einst als "Schloss oder Haus zu Langendiebach" bezeichneten Bauten waren zeitweise Sitz eines Ysenburger Amtmannes. Wahrscheinlich war in dieses Gebäude das Obertor der Ortsbefestigung integriert.Eine so genannte Hofstube im Hauptgebäude beherbergte ab 1852 eine Holzschneiderei und die erste Werkstätte für Zigarrenkistchen der beiden Schreinermeister Johannes Brüning III. und Conrad Traxel I. 1859 wurde das Gebäude abgerissen.erstmals 1517 erwähnt

Brüningsche Fabrik:

Kurz vor der Aufgabe der ersten Werkstatt wurde auf der gegenüberliegenden Straßenseite die Brüningsche Zigarrenkistenfabrik in Betrieb genommen. Später wurden auch Zigarrenwickelformen hergestellt. Die Firma wurde zum größten Arbeitgeber im Umkreis. Hier arbeiteten Ende 19./Anfang 20. Jh. bis zu 600 Personen. Der zuständige Schreiner fuhr bis ins Baltische, um Stämme für die Zigarrenkisten einzuhandeln.Die Zigarrenkisten wurden zum Teil mit Pferd und Wagen bis nach Bayern zu den Zigarrenherstellern gefahren.Die Brüningsche Fabrik war an die Hanauer Kleinbahn angeschlossen. Ende der 1920er Jahre wurde das Werk geschlossen.Die Gebäude wurden während des 2. Weltkrieges militärisch genutzt. 1946 wurde hier die Firma Stahlbau Main gegründet. Auch die Schuhfirma Pirol war hier ansässig.

Ehemaliges Langendiebacher Rathaus:

Es ist nicht bekannt, wann das alte Rathaus erbaut wurde.Am 1.4.1859 brannte es ab. Ein Wirt, der die Löschmannschaften mit Getränken versorgte, stellte dafür 59 Fl. in Rechnung. Ein Jahr später wurde es wieder aufgebaut.1973 wurde es abgerissen.

Enge Gasse:

Etwa so kann man sich die Straßen einer mittelalterlichen Stadt vorstellen. Bauplatz in den Städten war schon damals kostbar. Es wurde mehrstöckig gebaut und häufig erhielten die oberen Stockwerke auch noch einen kleinen Balkon zur Straße hin. Bei dieser engen Bauweise und der Vorstellung von mittelalterlichen Löschmethoden kann man leicht nachvollziehen, dass bei einem Feuer nicht selten die halbe Stadt abgebrannt ist.


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Laden - Fensterladen

In den Gassen der Stadt befanden sich auch die Werkstätten und Verkaufsläden der Handwerker und Handel treibenden. Das Fenster einer Werkstatt oder sonstigen Verkaufsraums war mit einer ausklappbaren Vorrichtung verschlossen. In diese Vorrichtung war meist ein Gestell für die Auslage von Waren oder eine Art Theke integriert. Öffnet der Händler den Laden, so klappt er gleichzeitig das Gestell aus. So kann er von seiner Werkstatt aus seine Waren präsentieren und veräußern. Gleichzeitig arbeitet er in seiner Werkstatt, wenn keine Kunden da sind.


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Stein des Anstoßes

Durch die engen Straßen mussten sich auch die Fuhrwerke zwängen. Nicht selten kam es vor, dass diese mit den Radnaben an den Ecken der Häuser hängen blieben oder eilige Händler an den Hauswänden entlangschrammten. Dabei kam es oft zu starken Beschädigungen. Deshalb schütze man sein Eigentum durch Findlinge, die man an besonders gefährdete Stellen der Häuser stellte. An diese Steinen konnten die Fuhrwerke dann anstoßen, wenn der Wagenlenker nicht geschickt genug war, sein Gefährt unfallfrei durch die Stadt zu lenken. Der Eigentümer des Hauses hingegen brauchte keinen Anstoß mehr daran zu nehmen, denn seinem Eigentum passierte ja nichts, auch wenn es bei einem heftigen Anstoß zum Achsbruch oder ähnlichem beim Verursacher kam.


 

Turmstraße - Gasthof "Zur Sonne":

Im Gasthof zur Sonne liegen die Anfänge der katholischen Kirche von Erlensee. Bis zum Anfang des 20.Jh. gab es in Langendiebach und auch Rückingen nur wenige Katholiken. Diese konnten in Hanau oder Langenselbold den Gottesdienst besuchen - zu Fuß oder mit dem Fahrrad, denn das Auto war noch in den Kinderschuhen. Nach Ende des 1. Weltkrieges nahm die Anzahl der katholischen Bevölkerung in Rückingen und Langendiebach zu, da Evakuierte aus Frankfurt und Hanau hier eine neue Heimat fanden. Ab dem 16.Juli 1922 wurde in Langendiebach im Saal des Gasthauses "Zur Sonne", der über der Gasstätte lag, sonntags die heilige Messe gefeiert. Der Pfarrer kam mit dem Pferdefuhrwerk aus Langenselbold. Langenselbold war zu dieser Zeit eine selbständige Pfarrkurie, der Langendiebach mit 52 Katholiken und Rückingen mit 29 Katholiken, außerdem Ravolzhausen und Hüttengesäß unterstellt waren. Der Inhaber des Gasthofs zur Sonne, Herr Dickhaut kam ursprünglich aus Amöneburg bei Marburg, einer katholischen Gegend.Außer Gaststätte war die "Sonne" auch Bäckerei. Sie wurde bis Mitte der 50er Jahre betrieben, die Wirtschaft einige Zeit länger.Interessant ist auch, dass der Gasthof das Vereinslokal der Ziegenzüchter war.

Turmstraße/Uferstraße - südlicher Turm:

Dieser Turm ist vollständig erhalten. Auch er steht ein ganz Stück hinter der Ortsmauer. Hier macht auch die niedrige Brustwehr ohne Schutzzinnen deutlich, dass es sich vorrangig um einen Beobachtungsturm handelte. Ein Verteidigungsturm hätte einen Zinnenkranz, der Deckung bietet und von wo aus die Verteidigung rundum erfolgen kann.Das Baumaterial der beiden Türme ist identisch mit dem Gestein der Rodenbacher Steinbrüche. Aus dem gleichen Material ist auch die Klosterruine Wolfgang gebaut.

Langendiebach - Herkunft des Namens

Langendiebach wird zum ersten Mal 1226 in einer Urkunde als "Dyppach" erwähnt. Es muss den Ort aber schon sehr viel früher gegeben haben, wie wir aus dem Münzfund in der Kirche schließen können.Außer unserem Diebach, gibt es noch weitere Orte mit diesem Namen am Fallbach. So kann man davon ausgehen, dass "Langen" zur Unterscheidung vor den eigentlichen Namen gesetzt wurde. Der Ort war ehemals auch entlang dem Bach bis nach Ravolzhausen gezogen. Der Name Diebach oder Dietbach, wie Langendiebach auch genannt wurde, besteht aus zwei Silben, von denen die zweite, "bach", sich eindeutig auf den Bach bezieht. "Diet" oder "Di-et" ist eine althochdeutsche Bezeichnung und bedeutet "Volk", allerdings nicht im Sinne von Gefolge einer Herrschaft, sondern schlicht und einfach eine Gruppe von einfachen Menschen. Es waren also Menschengruppen, die sich an den verschiedenen Stellen am Fallbach angesiedelt haben. "Das Volk am Bach" gab also dem von ihnen besiedelten Ort den Namen: "Dietbach". Durch Veränderungen der Sprache und der Schreibweise setzt sich dann "Diebach" bzw. später "Langendiebach" durch.


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